- Der Markt sucht weiterhin nach Anlagemöglichkeiten
- Zeitdruck als erschwerender Faktor
- Professionelle Prozessbegleitung unbedingt erforderlich
In Österreich wechseln pro Jahr rund 300 Unternehmen von internationaler Relevanz ihren Besitzer im Rahmen einer M&A-Transaktion, hinzu kommen üblicherweise mehr als 1.000 weitere Verkaufsprozesse dieser Art im KMU-Bereich. Im Corona-Krisenjahr 2020 erhält das Thema Mergers & Acquisitions freilich besondere Brisanz. „Spezielle Umstände, wie wir sie derzeit haben, treffen nicht nur Unternehmen, die unter strukturellem Konsolidierungsdruck stehen oder an Versäumnissen der Vergangenheit zu knabbern haben. Auch strategisch an sich gut positionierte Unternehmen bzw. deren Eigentümer können sich durch die aktuelle Krise gezwungen sehen, das Eigenkapital zu stärken oder durch einen Eigentümerwechsel eine Zukunftsperspektive aufrecht zu halten“, betont Roman Pongracz, Associate Partner der Wiener Unternehmensberatung Advicum Consulting. Besonders betroffen sind bekanntlich der Tourismus und die Gastronomie – doch jüngste Nachrichten aus klassischen Bereichen der Autozulieferindustrie oder dem Maschinenbau deuten auf tiefergehende Strukturänderungen hin, die sich bereits Ende letzten Jahres abzuzeichnen begannen. Auf der anderen Seite profitieren Firmen aus den Sektoren Health Care, Chemie, Pharma und Sicherheit von der Krise.
Liquidität ist vorhanden
Verglichen mit der großen Finanzkrise vor 10-12 Jahren stellt sich die Situation für den M&A-Experten heute anders dar. „Liquidität ist am Markt nach wie vor mehr als genug vorhanden, die Suche nach Veranlagungsmöglichkeiten enorm. Daraus ergeben sich nicht nur Chancen für krisenbedingt angeschlagene Unternehmen, nach einem strukturierten und professionell geführten M&A-Prozess erfolgreich weiterzuleben, sondern auch für starke und gut aufgestellte Firmen, aktiv zu konsolidieren, in neue Segmente zu wachsen oder die Wertschöpfungskette zu verlängern“, so Pongracz. Der Einstieg eines externen Kapitalgebers in ein Unternehmen erfordere aber gerade in Krisensituationen oftmals eine große Überwindung seitens der Gesellschafter, speziell in familiengeführten Strukturen. In der Praxis sei dies häufig ein emotionaler Balanceakt, bis es zu einem gemeinsamen Konsens alle Beteiligten inklusive der Banken kommt. Die hohe Unsicherheit kann aber auch mithelfen, dass sich alle Seiten auf das Wesentliche konzentrieren und Partikularinteressen zurückstellen. Investoren sollten in dieser Zeit nicht auf Gelegenheiten warten – denn dann endet dies meist in einem Bieterwettbewerb – sondern passende Unternehmen auswählen, die Eigentümer gezielt ansprechen und sich als Partner für die Zukunft anbieten.
Die Zeit läuft…
„Als erschwerender Faktor kommt gerade bei krisenbedingten Verkaufsprozessen (‚Distressed M&A‘) meist der Zeitdruck hinzu“, erklärt der Advicum Experte: „Während die Uhr tickt, muss neben der Ausarbeitung eines realistischen Sanierungskonzeptes umgehend auch ein solides Verständnis über das Transaktionsobjekt, dessen Chancen und Risiken sowie die Auswahl geeigneter Investoren erfolgen“. In der Regel haben M&A-Transaktionen eine Vorlaufzeit von rund 12 Monaten, so viel Zeit habe man in der Krise aber nicht. Für den externen M&A-Berater liege bei Unternehmenstransaktionen in der Krise daher die Herausforderung auch in einem straffen Prozessmanagement und der flexiblen und teilweise parallelen Durchführung einzelner Prozessschritte unter Berücksichtigung der individuelle Bedürfnisse der beteiligten Player. „Ein guter externer Berater managt den M&A-Prozess und coacht die Beteiligten. Wichtig ist, dass dieser als echter Vermittler aus der Erfahrung vieler Transaktionen, aus seinem technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Verständnis heraus agiert, das nötige Fingerspitzengefühl mitbringt und sich nicht als Makler versteht. Es braucht einen verlässlichen Begleiter, der gezielt und interdisziplinär agiert“, so Pongracz.
Professionelle Prozessbegleitung
Von Seiten der Eigentümer und Manager setzt eine solche Ausnahmesituation immer eine massiv gesteigerte Leistungsbereitschaft unter deutlich erschwerten Bedingungen voraus. Neben der Weiterführung des operativen Geschäftsbetriebes, der Betreuung von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern erfordert die Sicherstellung der laufenden Liquidität, die Abwehr rechtlicher Bedrohungen und das konsequente Vorantreiben des M&A-Prozesses höchsten Einsatz. Ohne professionelle Unterstützung ist dies besonders in der Krise nur schwer zu bewältigen, weiß man bei Advicum.
Über die generelle konjunkturelle Lage hinaus wirkt sich die Corona-Pandemie aber auch unmittelbar auf M&A-Vorhaben aus. Entscheidungsprozesse werden langsamer, Due Diligence Prozesse finden beinahe ausschließlich virtuell statt. Investoren versuchen Risiken stärker auf die Alteigentürmer zu verlagern. Externe Finanzierungen zu erhalten, wird schwieriger, und die hohe Unsicherheit macht Verhandlungen um Bewertungen und Kaufpreis für beide Seiten ganz besonders herausfordernd.
Professionelle Begleitung ist daher gerade in diesen Zeiten essentiell. Schon vor Corona erfolgten im KMU-Segment zu viele Transaktionen ohne sorgfältige Vorbereitung und Prozessbegleitung. Und auch heute wird oft nur ganz am Ende ein Anwalt oder Steuerberater eingeschaltet. „Hier sind beide Seiten gefordert: der Alteigentürmer, weil es gilt geschaffene Werte abzusichern, und der Investor, der Risiken vermeiden und auf einer soliden Basis aufbauen sollte, um das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen“, so Roman Pongracz abschließend.