Im letzten Advicum Quarterly wurde der Jenga Effekt näher beleuchtet – eine häufige Gefahr, mit der vor allem wachsende Unternehmen konfrontiert sind. In Anlehnung an das beliebte Geschicklichkeitsspiel beschreibt dieser Effekt in erster Linie die Folgen, die die Entscheidungen und Aktionen der Spielteilnehmer auf den Jenga-Turm haben, wenn sie die Holz-Bausteine entfernen und wieder auf den Turm aufsetzen.
Der Vergleich ist trivial, aber dennoch eine äußerst passende Metapher für Veränderungen in der Organisationsentwicklung und deren Auswirkungen:
Mitarbeiter – analog zu den Bausteinen – werden mit neuen Aufgaben betraut, also aus dem Fundament herausgelöst und nach oben geschlichtet, ohne die entstandenen Lücken zu schließen. Dadurch gerät der Turm oder eben die Organisation immer stärker ins Wanken. Die zerbröckelnde Basis des wachsenden Turms führt zur organisatorischen Instabilität mit chaotischen Zuständen, Ineffizienzen, Kapazitäts- und Kommunikationsproblemen.
Der Manager auf der Spitze des Turms
Wie so oft kann auch hier nicht von einer einzelnen Ursache gesprochen werden. Es ist das Zusammenspiel von Variablen, wie etwa eine rasche und starke Expansion, ein hoher Grad an Eigenleistung, etc., die schlussendlich zum Jenga Effekt führen.
Eine der Hauptursachen der Entstehung des Jenga Effekts liegt aber in der Verantwortung des Managements, auch wenn es diesem oft nicht bewusst ist. Wächst die Organisation nämlich zu schnell, fällt es dem Entscheidungsträger zunehmend schwer, an der Spitze des Turms den Blick für das Fundament zu bewahren. So passiert es, dass (unter-) stützende Funktionen, die für einen reibungslosen Ablauf der Geschäftsroutine sorgen, plötzlich überfordert oder im Extremfall gar nicht mehr vorhanden sind. Der Turm stürzt ein!
Nichts tun vs. das Falsche tun
Im Advicum Quarterly vom Juni 2015 haben wir uns auf eine mögliche Folge des Jenga Effekts konzentriert. Wir sind davon ausgegangen, dass das Management den Bedarf an organisatorischen Korrekturmaßnahmen nicht erkennt. Wie verhält es sich aber, wenn der Bedarf an neuen Ressourcen erkannt wird? Führt ein Erkennen automatisch zu einer Verbesserung der Situation?
Um dem nachzugehen, bleiben wir bei der Metapher mit dem Turm, auch wenn wir uns nun vom Spiel etwas entfernen. Stellen wir uns weiter den Manager vor, der an der Spitze des Turms steht und das Unternehmen unter sich mit vollem Commitment seinen Zielen entgegensteuert. Nun kann es durchaus sein, dass sich dieser Entscheidungsträger der Gefahr einer instabilen Basis bewusst ist und dementsprechend die Lücken in der Belegschaft, die durch das Wachstum entstanden sind, schließen will. Wir erweitern also das Jenga Spiel um die Möglichkeit, neue Steine auch im Fundament einzubauen.
Auf dem Turm stehend, ist dies für den Manager eine anspruchsvolle Aufgabe, geradezu eine Gratwanderung, die zwei weitere Risiken in sich birgt: Einerseits besteht die Gefahr, die falschen Bausteine zu verwenden, andererseits kann sich der Einsatz von zu vielen Bausteinen auch negativ auf die Entwicklung und die Performance des Unternehmens auswirken.
Die falschen Bausteine
Eines ist klar – die Nachbesetzung von Positionen in wachsenden Unternehmen ist deutlich schwieriger als in stabilen und bewährten Strukturen. Hauptgrund dafür ist die schwere Abschätzbarkeit von zukünftigen Aufgaben und deren Ausprägung in Phasen der Expansion. Die fachliche Distanz des Managers zu den Alltagsthemen verschärft diese Problematik und kann schlussendlich zur Besetzung von Stellen durch nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter führen.
Diese nicht passenden Bausteine können sich in zwei Richtungen auf die Situation auswirken: Einerseits kann der gewünschte stabilisierende Effekt ausbleiben, weil die Neubesetzung nicht im Stande ist, die vakanten Funktionsbereiche abzudecken; anderseits kann eine Fehlbesetzung die Schieflage des Turms weiter verstärken und den Einsturz beschleunigen.
Die Belagerung des Turms
Eine andere Problematik manifestiert sich dann, wenn aus Unwissenheit oder möglicherweise auch übertriebener Vorsorge zu viele Bausteine zur Stabilisierung eingesetzt werden.
Zwar gelingt es in diesem Fall meist tatsächlich, das Unternehmen zumindest kurz- bis mittelfristig zu stabilisieren, diese Vorgehensweise birgt aber die Gefahr, dass die Strukturen rigide werden und ein weiteres Wachstum verhindern. Kommunikationswege werden unnötig lang, die Gefahr einer Bürokratisierung nimmt zu, Hierarchien führen zu Effizienzverlusten und im schlimmsten Fall sinkt die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens.
Neben den organisatorischen Risiken droht die finanzielle Überhitzung durch überproportional steigende Personal- und Verwaltungskosten. Der Turm wird also von den eigenen Leuten belagert – im Extremfall wird die Organisation handlungsunfähig.
Die Lösung
Was kann man nun aber tun, um diese beiden Auswirkungen des Jenga Effekts zu verhindern?
Wie bereits im ersten Teil des Artikels erwähnt, ist es essentiell, sich immer vor Augen zu führen, dass es keinen einheitlichen Bauplan für Organisationen gibt. Umso wichtiger ist es, den gesamten Turm im Blickfeld zu bewahren und nicht nur die Spitze – auch wenn das oft schwierig ist.
Ein wirksames Instrument, um den Jenga Effekt und seine Folgen vorab möglichst zu verhindern, ist die detaillierte Planung der Organisationsentwicklung. Damit kann das Risiko, Aufgaben im Unternehmen nicht ausreichend abzudecken und Vakanzen falsch zu besetzen, minimiert werden.
Aber bereits in der Festlegung der Unternehmensstrategie kann präventiv auf eine positive Organisationsentwicklung hin gearbeitet werden. Man sollte dabei den Grundsatz „Structure follows strategy…“ mit dem Beisatz „…as the left foot follows the right“ immer im Hinterkopf bewahren und aktiv die Zusammenhänge zwischen Organisationsstrategie und -struktur hinterfragen. Der Zusammenhang wird in der folgenden Grafik genauer beschrieben:
Weil wachsende Organisationen oft schwer zu überblicken sind, zumal der Fokus richtigerweise nach vorne gerichtet ist und operative Themen zum Inhalt hat, ist es oft vorteilhaft, organisationsexterne Experten mit an Bord zu holen. Damit können die erwähnten Risiken vorab weitgehend ausgeschaltet werden und der Turm kann seinem Ziel entgegenwachsen.
Die erfahrenen Mitarbeiter von Advicum können Sie aktiv in jeder Phase Ihres Unternehmens dabei unterstützen, die richtigen strategischen und organisatorischen Entscheidungen zu treffen. Für weiterführende Fachgespräche und Rückfragen stehen wir gerne zu Verfügung.
Ansprechpartner:
Mag. Lukas Baumgartner
Tel.: +43 (0)1 236 1116 0
Email: lukas.baumgartner@advicum.com