Der folgende Text wurde unter Nutzung einer digitalen Technologie – mithilfe einer Spracherkennungssoftware – in weniger als der halben Zeit, die eine Eingabe über die Tastatur erfordert hätte, „getippt“. Mit einiger Übung lässt sich dies sicherlich in einem Drittel der ursprünglich erforderlichen Zeit erstellen.
Wie viel an Digitalisierung ist tatsächlich neu und was davon ist „Alter Wein in neuen Schläuchen“?
Wir versuchen eine Beurteilung dieses sehr umfassenden Themas in diesem und in den zwei darauffolgenden Newslettern.
Im aktuellen Newsletter lesen Sie die Einleitung zum Thema und wir stellen unterschiedliche, neue digitale Technologien vor.
Der Newsletter 1/2017 erläutert die Anwendung der digitalen Technologien auf den Industriesektor mit einer Einschätzung deren zeitlicher Wirksamkeit.
Der Newsletter 2/2017 beschäftigt sich mit der Anwendung der digitalen Technologien auf andere Sektoren, insbesondere in den Bereichen Dienstleistung und Handel
Grundlagen / Ausgangslage
Zum Thema Digitalisierung und Industrie 4.0 gibt es zwischenzeitlich Berichte und Studien wie Sand am Meer. Was dabei auffällt, ist, dass es zum Thema kaum ein gemeinsames Verständnis gibt, über welche Technologien es sich handelt und was man unter Industrie 4.0 überhaupt versteht. Zudem werden die meisten Berichte und Studien von Individuen und Firmen erstellt, die darin ein sehr lukratives Geschäft wittern. Manche der Studien sind auch durchaus politisch/ideologisch getrieben.
Interessanterweise kommt jede Studie zu einem klaren, logischen Ergebnis, was aber auch manchmal das genaue Gegenteil einer anderen Studie bedeutet, wie etwa folgende Aussagen:
- Es werden mehr Jobs entstehen vs. es wird zu dramatischen Jobverlusten kommen
Während die einen Studien behaupten, dass getrieben durch die Digitalisierung eine Reihe von neuen Jobs mit hohem Anforderungsprofil entstehen wird, wird in anderen Studien genau das Gegenteil beschrieben. Horrorzahlen, dass bis zu fast 50 % aller Arbeitsplätze gefährdet sind, stehen im Raum.
- Mit der Digitalisierung beginnt die Reindustrialisierung mit Jobgewinnen in den Hochlohnländern vs. es werden noch mehr Jobs ins (Billig-)Ausland abfließen
Auch an markigen Sprüchen zu dem Thema fehlt es nicht:
So vertritt Autodesk CEO Carl Bass die Fraktion derer, die dramatische Jobverluste prognostizieren: „Die Fabrik der Zukunft wird zwei Angestellte haben. Einen Menschen und einen Hund. Die Aufgabe des Menschen wird sein den Hund zu füttern. Die Aufgabe des Hundes wird sein zu verhindern, dass der Mensch die Maschinen berührt.“
Handelt es sich also um „alten Wein, der in neue Schläuche gefüllt wurde“, oder um die simple Weiterentwicklung von Bestehendem wie beispielsweise von „Just-in-Time“ zu „Lean“? Ist es eine Vision wie seinerzeit das papierlose Büro? Ist Digitalisierung etwas, das sich in den nächsten 30 Jahren schleichend Einfluss ausübt und Veränderungen bewirkt oder ist es ein Technologiebruch, der (zumindest kurzfristig) erhebliche Auswirkungen auf Jobs/Jobbilder und damit auf die Beschäftigten hat? Ist es eine Technologie die „nur“ die Arbeiter und deren Jobs betrifft, oder ist das Wirkungsfeld um vieles breiter? Sind Digitalisierung und Industrie 4.0 nur für Großunternehmungen und Konzerne relevant oder auch für – und diese Firmen überwiegen bei uns in Zentraleuropa – kleine und mittlere Unternehmen? Können diese sich die erforderlichen Investitionen und technischen Stäbe überhaupt leisten?
Bevor wir aber zu den Anwendungen und Auswirkungen der Digitalisierung kommen, lassen Sie mich zuerst diese digitalen Treibertechnologien kurz vorstellen.
Die digitalen Treiber, die bereits heute marktreif sind oder in Kürze marktreif werden, kann man grob in vier Gruppen einordnen:
- Digitale Infrastruktur
- Analyse- und (Selbst-)Lernfähigkeit
- Mensch-Technologie-Interaktion
- Umsetzung Daten in (physische) Aktionen
Digitale Infrastruktur – Breitband, Big/Open Data, Cloud-Technologie und -Sicherheit, Internet-der-Dinge (IoT = Internet of Things).
Schnelle und leistungsfähige Datenübertragung und günstige Datenspeicherung, zentrale Datenverfügbarkeit über Cloud-Technologien sowie dramatisch sinkende Kosten für LPWA- (Low Power Wide Area) und sogenannte IoT-Technologien ermöglichen es künftig, eine hohe Menge von Knoten günstig miteinander zu verbinden und kommunizieren zu lassen. Dabei werden auch deren Daten in zentrale Datenbanken übertragen die dann mit smarten Analyseprogrammen ausgewertet werden können.
IoT – Internet-der-Dinge bedeutet, dass physische Gegenstände automatisch miteinander kommunizieren können und ihre Aktion von der gesendeten Information abhängig machen. Wenn also z.B. ein Werkstück mit der Werkzeugmaschine, die den nächsten Bearbeitungsschritt fortführen soll, kommuniziert, dann ist kein weiterer Eingriff eines Menschen notwendig. Die erforderlichen Aktivitäten werden automatisch durchgeführt. Andere Beispiele für IoT wären ein Halsband zur Lokalisierung des Laufweges des weggelaufenen Hundes oder, Applikationen zum Suchen gestohlener Autos oder vergessener Taschen/Koffer. Weiters fallen das automatische Melden verunfallter Autos (wie sie etwa bereits von Opel OnStar angeboten werden) darunter oder auch ein Shirt, in dem ein Sensor eingebaut ist, das Herzrhythmusstörungen erkennt und im Fall des Falles automatisch den nächstgelegenen Arzt oder die Rettung verständigt.
Bei der Fülle von zu erwartenden, neuen vernetzten Devices kommt dem Thema Sicherheit ein neuer Stellenwert zu. Die heute bekannten Fälle von Cybercrime sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Zahl der Cyberattacken hat sich in den letzten Jahren drastisch erhöht. So ist zum Beispiel ein Großteil der Maschinensteuerungen gegen Cyberattacken völlig offen und ungeschützt. Mit der steigenden Vernetzung und dem rapiden Anstieg vom Netzwerkteilnehmern steigt natürlich auch die Oberfläche für Cyberkriminelle proportional. Ein vollkommener Produktionsstillstand wird künftig vielleicht weniger durch Feuer oder Hochwasser als durch kriminelle Machenschaften mit Malware (Schadprogrammen) verursacht, und sei es „lediglich“ zu Erpressung des Unternehmens.
Mehr zu diesem Thema beispielsweise unter http://www.greco.at/at/orf-zib2.html#news.
Analyse und Selbst-Lernfähigkeit – Advanced Analytics und Digitalisierung sowie Automation von wissensbasierten Arbeiten
Die gesammelten Daten werden durch intelligente Programme laufend analysiert, mit anderen (cloudbasierten) Datenbanken gegebenenfalls abgeglichen und in Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Damit werden bessere Entscheidungsgrundlagen und -empfehlungen geschaffen, wie zum Beispiel im Bereich der Krebsbehandlung (kognitives System Watson von IBM), oder es werden Aufgaben automatisiert oder teil-automatisiert wie zum Beispiel die Verbuchung von Belegen, Qualitätskontrollmaßnahmen, etc. Menschlicher Eingriff ist nur mehr in Ausnahmefällen erforderlich (und/oder gestattet).
Mensch-Technologie-Interaktion – Next Generation User Interfaces, Virtual and Augmented Reality (künstliche und erweiterte Realität).
Die Interaktion zwischen Mensch und Technologie wird künftig sowohl über Berührung als auch über Sprache oder Augenkontakt, Mimik etc. erfolgen. Die Produkte dafür sind de facto marktreif und auch die Benutzer („Generation iPhone“) sind mit dieser Art der Interaktion bereits vertraut (Touch/Swipe, Siri, Pokemon Go, etc.).
Was heute auf Computermessen hinsichtlich virtueller Spielrealität geboten wird, ist gigantisch. „Anno dazumal“ (=2013 und damit in gefühlter Realität bereits ewig her) waren Produkte wie Google Glass (noch) nicht erfolgreich. Der Durchbruch steht aber bevor und wird die künftige Arbeitswelt erheblich verändern. Informationen werden zeitgerecht am Ort des Bedarfs verfügbar gemacht werden (zum Beispiel Montage Anleitungen oder Schulungen), und physische Modelle werden durch virtuelle Modelle ersetzt werden. Auch das Thema Simulation ist hier einzuordnen. Dies betrifft beispielsweise die Simulation von Belastungszuständen in der Konstruktionsentwicklung, Fluss- und Temperatursimulation im Formenbau, aber genauso die Simulation von noch zu bauenden Produktionsstätten, sodass die Leistungsfähigkeit dieser Produktionsstätte bereits am Computer geprüft werden kann.
Umsetzung von Daten in physische Aktionen umfasst Fähigkeiten von Speech-to-Text, 3D Druck und Mensch-Roboter-Zusammenarbeit.
So wie dieser Artikel (kaum, aber das lag primär am praktizierenden User) ohne Tastatureingabe verfasst wurde, wird die Digitalisierung von Gesprochenem künftig Alltag werden.
3D Druck wird in kürzester Zeit vergleichbar günstige Prototypen oder Kleinserienerzeugnisse auch dezentral herstellen lassen mit entsprechender Auswirkung auf Time-to-Market und Stückkosten.
Roboter werden zunehmend intelligenter, kommunikativer und mit besseren visuellen und taktilen Fähigkeiten ausgestattet. Zudem werden sie noch deutlich preiswerter. Damit sind sie in der Lage, einen viel breiteren Aufgabenbereich mit oder ohne einen weiteren menschlichen Kollaborateur zu übernehmen.
Nun könnte man sich natürlich die Frage stellen, was bei diesen Treibern genau das Neue ist? Einige dieser Schlagwörter sind seit Jahren in den verschiedensten Medien präsent. Der große Unterschied zu vor drei oder fünf Jahren ist allerdings, dass mittlerweile die Leistungsfähigkeit von Kommunikationsverbindungen, Computern und Software so stark angewachsen ist, und zudem die Kosten dafür erheblich gesunken sind, wodurch eine entsprechende Massentauglichkeit und Breitenwirksamkeit erzielt werden kann. Erst das heutige Zusammenkommen von technologischer Reife und akzeptablem Preispunkt führt dazu, dass eine Anwendung außerhalb der Labore möglich und damit der Transfer ins tägliche Leben erfolgen kann und wird.
Abschließend noch zwei kurze Tatsachenberichte, einer aus dem Jahre 1985, der andere aus 2015 als „Gedankenfutter“ bis zum nächsten Newsletter:
- Die Ausrollung der e-Medikation verzögert sich dadurch, dass die niedergelassene Ärzteschaft über keine bzw. eine nicht ausreichend leistungsfähige Computerausstattung verfügt.
- Der CAD-Zeichner entwarf die Figur, der Stücklistengenerator definierte die erforderlichen Teile und Materialien, das ERP plante die die Beschaffung und Produktion, die übersetzten CAD Daten speisten die CNC Maschinen, die daraufhin in der nahegelegenen Werkstätte die so entworfenen Schachfiguren produzierten. Der die CNC Maschine bedienende Roboter stellte die Schachfiguren richtig auf dem Schachbrett auf. Danach nahm er einen Besen und reinigte den Arbeitsplatz.
Welcher dieser beiden Berichte ist aus 1985? Welcher aus 2015?