2006 wurde seitens der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich der „Leitfaden Fortbestehensprognose“ erstellt. In diesem Leitfaden wurde von der Arbeitsgruppe unter Berücksichtigung des damaligen Standes der Judikatur beschrieben, welche Elemente eine Fortbestehensprognose enthalten soll und wann sie zu erstellen ist. Im Wesentlichen ist – untermauert durch eine integrierte Planrechnung – plausibel darzulegen, dass ein Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seine Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten kann und in überschaubarer Zeit wiederum die Gewinnzone erreichen wird.
In der Regel sind es die finanzierenden Banken, die vom Kreditnehmer die Vorlage einer Fortbestehensprognose verlangen, nicht mehr nur, wenn buchmäßig negatives Eigenkapital besteht, sondern bereits sobald ein Unternehmen in der Krise ist.
In Österreich hat sich die Fortbestehensprognose mittlerweile als das Instrument etabliert, auf dessen Grundlage sich involvierte Finanzgläubiger ein Bild über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen erarbeiten.
Neufassung des Leitfadens
Kürzlich ist die Arbeitsgruppe Fortbestehensprognose wieder zusammen gekommen, um die Arbeiten für eine Neufassung des Leitfadens aufzunehmen. Sie wird sich mit der Frage beschäftigen, ob die Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose in inhaltlicher Hinsicht über das aktuell geforderte Ausmaß hinaus angehoben werden sollen. In Deutschland wird im einschlägigen Sanierungsstandard IDW S6 die Sanierung am Leitbild des sanierten Unternehmens ausgerichtet und nicht nur die Darstellbarkeit des Turnaround, sondern auch die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität der Unternehmen gefordert. Höhere Anforderungen an die Prognoseziele bringen höhere Anforderungen an die operative Sanierungskompetenz der Berater mit sich.
Wir würden uns wünschen, dass unser Beitrag als Input bzw. Anregung erfahrener externer Sanierungsberater aufgefasst wird, mit dem Ziel, das eine oder andere Thema zu reflektieren und in der Neufassung des Leitfadens im Sinne der weiteren Verbesserung der Sanierungskultur in Österreich zu berücksichtigen. Das gemeinsame Ziel sollte aus unserer Sicht sein, dass Unternehmer in dem Instrument „Fortbestehensprognose“ mehr sehen, als lediglich „ihre Pflicht gegenüber der Bank abzuarbeiten“, sondern als geeignetes und hilfreiches Mittel sowie als Chance, ihr Unternehmen zu erhalten und einen erfolgreichen Neustart zu ermöglichen.
Eine wesentliche Weichenstellung: Auswahl der Berater
Bereits bei der Auswahl der Berater entscheidet sich der betroffene Unternehmer für das „Pflichtprogramm“ oder einen umfassenden „Problemlösungsansatz“. Häufig erhält man ein Schreiben der Hausbank, in dem man auf die Pflichten als geschäftsführendes Organ eines in der Krise befindlichen Unternehmens aufmerksam gemacht und aufgefordert wird, eine positive Fortbestehensprognose binnen der nächsten Wochen vorzulegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist diesem Schreiben eine Liste möglicher Berater beigelegt, welche die Bank zur Kontaktaufnahme empfiehlt. Diese Berater haben sich aus Sicht der Bank in ähnlichen Krisensituationen bereits bewährt. Die Auswahl des geeigneten Beraters liegt in der alleinigen Verantwortung des Unternehmens, wobei es sich empfiehlt, einen Berater auszuwählen, der auch das Vertrauen der Finanzgläubiger genießt.
Mindestens ebenso wichtig ist jedoch, dass der Berater im Zusammenwirken mit dem Unternehmen die Kompetenz hat, die Krisenursachen zu erarbeiten und zu beheben. Daher sollte bei der Auswahl des Beraters nicht nur auf seine Kompetenz, eine Fortbestehensprognose zu erstellen und im Kreise der Finanzgläubiger angemessen zu präsentieren, geachtet werden, sondern auch darauf, ob auf Grund vorhandener Erfahrungen, Kompetenzen und/oder Referenzen zu erwarten ist, dass die (vermutete) Krisenursache mit Hilfe des Beraters auch beseitigt werden kann.
Das zentrale Element: Sanierungsmaßnahmen
Sanierung bedeutet Veränderung. Man braucht beides im Sanierungsteam, Denker und Macher. Es muss gerechnet werden, Überzeugungsarbeit geleistet werden und es müssen gegebenenfalls neue Financiers an Bord geholt werden. Aber eben nicht nur. In erster Linie muss das verändert werden, was die Problemsituation verursacht hat und das neu ausgerichtet werden, mit dem eine zukunftsfähige Perspektive für das Unternehmen geschaffen werden kann. Wir haben bereits einige Sanierungsprojekte gesehen, in denen der größte Teil der investierten Zeit darin aufgeht, Pläne zu erstellen. Diese Sanierungen gehen zumeist schief. Das zentrale Element ist die operative Gesundung des Unternehmens durch geeignete und insbesondere auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Veränderungen, also Sanierungsmaßnahmen.
Die Krux: Der erste Schuss muss sitzen
Es gilt zu beachten, dass wenn ein Unternehmen von der Bank aufgefordert wird, eine positive Fortbestehensprognose vorzulegen, dies nicht heißt, dass allein eine positive Fortbestehensprognose der ideale bzw. erfolgsversprechende Sanierungsweg ist. Erfolgreiche Sanierungen benötigen jedenfalls das Können und das Wollen des Unternehmers. Es ist daher durch entsprechende Vergleichsrechnungen und Abwägung der Vor- und Nachteile alternativer Sanierungsstrategien sicher zu stellen, dass man sich für den jeweils passenden Sanierungsweg entscheidet.
Die größte Bedrohung für das Scheitern einer Sanierungsstrategie auf Basis einer (zuvor erstellten positiven) Fortbestehensprognose besteht darin, dass im Zuge der Nachverfolgung der Planrechnung (negative) Abweichungen vom Plan eintreten, die zusätzlichen Liquiditätsbedarf auslösen, welcher nicht aufgebracht werden kann, sodass folglich Insolvenz eintritt.
Es kann im Zusammenwirken des Beraters, der Bank(en) und des (in Sanierungsangelegenheiten unerfahrenen) Kunden (jedoch auch ex ante) sehr schnell dazu kommen, dass Sanierungsstrategien auf Basis einer dokumentierten positiven Fortbestehensprognose verfolgt werden, die keine ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen. Dies passiert immer dann, wenn die Planrechnungen zu optimistisch und/oder die Finanzierungsrahmen unangemessen sind. Oft sind sie so eng bemessen, dass sie bei der kleinsten negativen Abweichung nicht ausreichen.
In aller Regel werden dem Unternehmer mit dem Ziel, ein ausgewogenes Sanierungskonzept darzustellen und zum Zeichen seiner Identifikation mit der Sanierungsstrategie, Haftungen (oft in existenzgefährdender Höhe) abverlangt. Es kann „tödlich“ sein, sich auf Sanierungsstrategien einzulassen, die keine angemessene Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen.
Das Stiefkind: Die überwiegende Wahrscheinlichkeit
Was ist eine angemessene Erfolgswahrscheinlichkeit einer Sanierungsstrategie? Im Leitfaden Fortbestehensprognose wird eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ gefordert.
Ein Unternehmer, der sein „letztes Hemd“ für eine Lösung der Probleme in seinem Unternehmen geben soll, wird die Wahrscheinlichkeit vielleicht sogar noch höher ansetzen wollen. Tatsache ist, dass die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ derzeit in der Praxis lediglich behauptet und nicht wirklich nachvollziehbar quantifiziert wird.
Es gibt drei wesentliche Einflussfaktoren, um ex ante die künftige Insolvenzwahrscheinlichkeit von Unternehmen in der Krise einzuschätzen:
- Höhe des Cash Flows (inkl. des Finanzmittelanfangsstands)
- Schwankungsbandbreiten des Cash Flows (Planungsunsicherheit)
- versus der Zahlungsverpflichtungen aus dem Cash Flow
Die Arbeitsgruppe Fortbestehensprognose wird sich mit der Frage beschäftigen, ob sie angesichts des aktuellen Stands der Technik dem Vorbild des in Deutschland angesehenen Sanierungsstandard IDW S6 (RZ 142) folgt und den Einsatz der quantitativen Risikoeinschätzung zur Berücksichtigung der Planungsunsicherheiten und Aufrechterhaltung der Liquidität, etwa über den Einsatz der Monte Carlo Simulation, empfiehlt.
Zusammenfassung:
Die Autoren und das gesamte Team der Advicum Consulting GmbH empfehlen im Falle einer Krisensituation einen umsetzungsstarken Sanierungsberater zu konsultieren, der
- das Vertrauen ihrer Finanzgläubiger genießt und mit dem Thema Fortbestehensprognose professionell umgehen kann,
- der Krisenursachenanalyse und Erarbeitung und Umsetzung von geeigneten, operativen Sanierungsmaßnahmen sein Hauptaugenmerk schenkt,
- gemeinsam mit dem Unternehmen eine angemessene und erfolgsversprechende Sanierungsstrategie erarbeitet und umsetzt, sowie in der Lage ist,
- auf Basis seiner Erhebung der zukünftigen Chancen und Risiken mittels geeigneter Simulationstechnik planungskonsistent Schlüsse auf die Erfolgswahrscheinlichkeit der empfohlenen Sanierungsstrategie ziehen kann.
Autoren:
Daniel Knuchel – Partner bei Advicum Consulting GmbH
Martin Buchegger – Director bei TPA Horwath Unternehmensberatung GmbH