Jenga Ein Spieleklassiker
Fast jeder kennt Jenga, das berühmte Geschicklichkeitsspiel, das die Nerven aufs Äußerste beansprucht und die Hände zum Zittern und Schwitzen bringt. Das Spielmaterial beschränkt sich auf 60 längliche Holzklötze in Quaderform, die in der Startaufstellung lückenlos geordnet zu einem Turm aufeinander gestapelt sind. Nach und nach muss man als Spieler einen Baustein aus dem Fundament lösen und den Turm nach oben weiterbauen. Kritisch wird es dann, wenn an der Basis wertvolle Stabilisatoren fehlen. Dadurch wird der Turm immer wackliger und instabiler, gerät langsam ins Wanken, bis er schließlich irgendwann zusammenstürzt. Derjenige, dessen letzter Spielzug zum Einsturz des Turms führt, ist der Verlierer des Spiels.
Was Unternehmen mit Jenga gemeinsam haben
Neben dem Spaß an Spannung und Nervenkitzel manifestiert sich dieses Spiel zu einer hervorragenden Metapher für ein grundsätzliches Problem aller, die hoch hinaus wollen: wer zu viel aus der Basis-Substanz herauslöst, um nach oben zu wachsen, steht irgendwann auf wackeligen Beinen und bricht erschöpft zusammen. Bei der Expansion von Unternehmen besteht seit jeher die Herausforderung, den stützenden Kern der Organisation derart zu entwickeln, dass er dem Wachstum des Unternehmens angepasst wird, dieses unterstützen und langfristig tragen kann. Diese Problematik betrifft nicht nur Startups, sondern alle Unternehmen, die sich in einer Phase der Expansion befinden: Oftmals wird dadurch die Organisation überbeansprucht, einzelne Mitarbeiter derart stark in Projekte eingebunden, dass ihre eigentlichen Aufgaben am Ende des Tages unerledigt bleiben. Dies ist vor allem in Wachstumsphasen kritisch, wo es ganz im Gegenteil eine Verstärkung der tragenden Organisation braucht. Dadurch entstehen deutliche Lücken im Fundament der Organisation, die im Zeitverlauf wachsen und mit zunehmender Größe teuer werden und schwierig zu schließen sind.
Corporate Jenga
Hält dieser „Lücken-Zustand“ an, entstehen Ineffizienzen, die sich durch fehlende Kapazitäten, chaotische Kommunikationsketten, unzureichende Transparenz und hohe Ausfallrisiken ausdrücken. Jeder Baustein des „Corporate Jenga“ spiegelt eine Abteilung, Funktion oder Person wider, die für die Verwaltung des Unternehmens unentbehrliche Aufgaben erfüllt. Abhängig von der Branche umfassen diese das Management, Rechnungswesen, Human Resources, IT, Recht, etc. Wenn diese für jede Organisation wesentliche Basis schwächelt, kann das zum Zusammenbruch führen der Turm stürzt ein! Im Unterschied zum Kinderspiel gibt es aber keine Gewinner, sondern ausschließlich Verlierer.
Was man dagegen tun kann? Ein stabiles Fundament bauen!
Wie kann man also dem Jenga Effekt vorbeugen und das Spiel meistern?
Der Weg zur Antwort beginnt bei der Wahl der Strategie: Ob strategische Entscheidungen von Management, Eigentümern oder vom Markt wesentlich bestimmt werden, spielt dabei kaum eine Rolle. Nahezu jedes Unternehmen ist auf Wachstum, also Expansion ausgelegt. Die Aufgabe des Managements ist es, die Umsetzung der strategischen Vorgaben zu gewährleisten.
Bei starker Expansion besteht jedoch das Risiko, dass das Management zunehmend abgehoben von der operativen Ebene agiert, die Bedürfnisse der Organisation ignoriert und letztlich die Substanz des Unternehmens nivelliert, welche die Strategie eigentlich tragen sollte. Der Ökonom Alfred Chandler formulierte das Zusammenwirken von Strategie und Organisation bereits im Jahr 1962 treffend: „Unless structure follows strategy, inefficiency results.“ Die Struktur, also die Organisation des Unternehmens, sollte folglich immer an die langfristige Ausrichtung des Unternehmens angepasst werden. Man kann sogar getrost einen Schritt weiter gehen, denn auch die Organisation mit all ihren Eigenschaften und Möglichkeiten übt maßgeblichen Einfluss auf die Wahl der Unternehmensstrategie aus. Die Höhe des Turms und die Beschaffenheit des Fundaments stehen somit in einer kontinuierlichen Wechselwirkung. Folglich ist das bedeutendste Motiv, das den Turm ins Schwanken bringt, der reine Fokus auf das Wachstum selbst.
Scheuklappen bis zum Zusammenbruch
Die totale Fokussierung auf Wachstum wirkt in der Regel wie Scheuklappen: Konzentriert sich das Management ausschließlich auf die Expansion, geht das Gefühl dafür verloren, welche tragenden Support-Funktionen notwendig sind und wie sie beschaffen sein müssen. Hier gilt: wer auf der Turmspitze steht und immer nach oben schaut, sieht das Fundament nicht mehr.
Stabilisator: Organisationsentwicklungsplan
Unternehmen sind komplexe Organisationen, einen einheitlichen „Bauplan“ für einen stabilen und vor allem möglichst hohen Turm gibt es nicht. Das ist an sich kein Problem, sofern das Management rechtzeitig erkennt, wo Bruchstellen auftreten. Werden diese erkannt, kann man bereits in der strategischen Planungsphase dem Jenga Effekt entgegengenwirken, beispielsweise durch einen langfristigen, strategiekonformen Organisationsentwicklungsplan. Dieser zeigt, wie eine Unternehmensstruktur skalierbar und flexibel entwickelt werden kann und Bruchstellen vermieden werden. Eine rechtzeitige Identifikation und Mitigation sogenannter „Single Point of Failures“ reduzieren das Jenga Risiko. Damit der Turm am Ende nicht einstürzt, müssen alle Risiken erkannt und wesentliche Einflussfaktoren identifiziert werden. In der Regel ist es hilfreich, einen entsprechenden Prozess aus organisationsexterner Perspektive zu steuern. So steht einem langfristig erfolgreichen Wachstum nichts mehr im Wege und anders als im Spiel, gibt es nur Gewinner.
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