MIPIM – Cannes März 2017
Das Wetter spiegelt die Stimmung der Branche wider. Die Sonne scheint über der Côte d’Azur und die Stimmung ist sehr gut. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre wirken sich positiv auf die Unternehmen der Real Estate Branche aus. Kaufen – Verkaufen – Kaufen. Aber eigentlich nur Kaufen. Doch was tun, wenn es kaum mehr Objekte zu kaufen gibt? Preise in die Höhe – die Renditen sinken – denn das Geld sucht sich seinen Weg. Auch Development wird wieder attraktiv und immer mehr Player drängen in dieses Segment. Doch wie lange soll es noch so weitergehen – sind die ersten Wolken am Horizont bereits sichtbar und wenn ja, welche könnten das sein? Nachfolgend haben wir traditionell die wesentlichen Erkenntnisse und Themen der MIPIM zusammengestellt:
- Der Boom soll noch 1 bis 2 Jahre halten
Wie lange hält der Trend noch an und was wird diesen Trend brechen? Die Real Estate Experten sehen eine Korrektur kommen. Waren es letztes Jahr noch 2 bis 3 Jahre, sind es dieses Jahr nur mehr 1 bis 2 Jahre. Sie erwarten jedoch keine Wiederholung des großen Crash aus 2008, da man grundsätzlich keine strukturellen Verwerfungen sieht. Sektorale und/oder regionale Korrekturen werden jedoch erwartet. Es wäre nicht die Real Estate Branche, wenn der Optimismus nicht den Pessimismus übertreffen würde. Das Credo lautet einfach: „Jedes Risiko bietet auch Chancen“.
So bereitet man sich darauf vor, zur richtigen Zeit auszusteigen um dann mit neuer Kraft und tieferen Preisen wieder einzusteigen. Wesentliche Einflüsse für Europa werden die nächsten Wahlen bringen. Holland, Frankreich und Deutschland gehen in ein Wahljahr. Das Verhalten der USA und insbesondere von Präsident Trump sowie sein Verhältnis zu Russland bilden einen Spannungsbogen, den niemand wirklich greifen kann. Ergänzt wird das politische Szenario derzeit durch die Ereignisse in der Türkei – Ausgang völlig offen. Analysen beschränken sich aktuell auf die politische Landschaft, denn nur darauf scheint es im Moment anzukommen. Detailliertere Betrachtungen der Märkte werden nur oberflächlich diskutiert. Warum auch nicht, schließlich steigen die Preise ja de facto überall. Man hat gelernt damit zu leben. Das Geschäft geht weiter, denn wer wartet, der verliert.
Nicht vergessen sollten wir allerdings London – hier werden nachhaltige Korrekturen erwartet, die sich jedoch wieder positiv auf andere Großstädte auswirken werden. Konzernzentralen werden London verlassen und mit ihnen viele ihrer Mitarbeiter, die Preise werden fallen. Doch dort, wo sie ihre Zelte neu aufschlagen werden, werden die Preise steigen, denn die Karawane zieht weiter. Am Ende kommen die Käufer nach London zurück und kaufen die nun günstigeren Objekte wieder auf. Alles eine Frage des Timings und des „langen Atems“. Der Zyklus wiederholt sich. Ein wesentlicher Faktor hat sich somit gegenüber früheren Zyklen verändert. Politische Unsicherheiten sind massiv gewachsen, Save Havens sind rar, der Investitionsdruck fokussiert sich auf noch kleinere Märkte oder aber man weicht auf Hochrisikoprodukte aus. Kreativität ist wieder gefragt.
- Studentisches Wohnen und betreutes Wohnen sind gefragt
Ein für die Branche interessantes Segment bildet in den Universitätsstädten das studentische Wohnen. Der Bedarf ist groß – die Gewohnheiten ändern sich. Anglo-amerikanisches Feeling treibt die Entwicklung von Studentenheimen und Studentenappartements. Doch der Sektor scheint zu klein, um die ganze Branche zu treiben. Im Gegensatz dazu geht der Trend zum betreuten Wohnen und/oder Seniorenresidenzen ungebrochen weiter. Die Branche stürzt sich förmlich auf dieses Segment. Die Verschiebung der Bevölkerungspyramide fordert neuen Wohnraum. Dieser Trend verblasst jedoch mittelfristig im Angesicht der technologischen Entwicklungen. PropTechs, wie die Tech-Startups in der Immobilienbranche genannt werden, zwingen zu der Frage, ob die neue und die kommende Generation der Silver Society diese Wohnform wirklich noch bevorzugt bzw. benötigt. Neue Lösungen werden entstehen, Pflegeheime werden trotz demographisch positiver Zeichen schwierige Zeiten erleben. Ein Musterbeispiel für Disruption.
- Retail und Einzelhandel gehen eher zurück
Anhaltender Rückwärtstrend bei Retail und Einzelhandel wird bestätigt. Internethandel boomt. Die Kunden vergleichen Produkte und Preise im Web und lassen sich alles nach Hause liefern. Was nicht gefällt, geht wieder zurück. Man gewinnt Zeit und Geld. Der stationäre Handel leidet. Die Mieten steigen – die Umsätze gehen zurück. Erste Ideen über die alternative Nutzung von Retailflächen drängen auf den Markt. Ein Ende dieses Trends ist derzeit nicht in Sicht.
- Logistik steigt aufgrund des Internet Handels
Parallel zum Rückgang der Retailflächen wächst der Bedarf an Logistikobjekten. Hochmoderne Logistikflächen werden benötigt, um den Internethandel in Realität umzusetzen. Doch gute Standorte sind Mangelware und die Flächen somit begrenzt. Hohe Nachfrage – begrenztes Angebot – die Preise steigen. Der Trend ist stabil, leicht steigend. Die sich erholende Wirtschaft trägt ihren Teil zum steigenden Bedarf bei.
- Wien erlebt ein Revival bei neuen Büroflächen
Die Entwicklung und der Bau von Büroflächen nimmt wieder Fahrt auf. Nach einem schwachen Jahr 2016 sollen sich die Neubauflächen in 2017 mehr als verdoppeln und innerhalb der nächsten Jahre konsequent weiter steigen. Nachholbedarf oder Überhitzung? Wahrscheinlich eine Mischung aus vielen Faktoren. Alte Flächen gehen aus dem Markt und werden einer neuen Nutzung – meist Wohnen oder Hotel – zugeführt. Neue Flächen an neuen Standorten erfüllen die Ansprüche der neuen Arbeitswelt. Es scheint jedoch, dass der Bedarf an Büroflächen dem Neubau nicht folgen kann. Steuern wir hier auf eine Überhitzung zu?
- Digitalisierung – Einzug der Technologie in die Immobilienbranche
Digitalisierung ist als Buzzword heutzutage in aller Munde, auch die MIPIM beschäftigt sich zunehmend mit diesen Trends. Advicum wird zeitnah ein Research Paper veröffentlichen, welches die nachfolgenden 5 Trends und ihre Auswirkungen auf die gesamte Real Estate Branche näher betrachtet und analysiert.
- Internet of Things (IoT)
- Virtual & Augmented Reality
- Big Data
- Sharing Economy
- Automatisation
Hier scheint die Immobilienbranche noch massiven Aufholbedarf zu haben.
- Fazit
Der Branche geht es gut. 2016 konnte man nichts falsch machen. Kaufen und Verkaufen spült Geld in die Kassen. Finanzierungen sind für alles möglich. Finanzierungsquoten erinnern plötzlich wieder an 2007. Die Development-Pipelines sind gefüllt. Die Produkte rollen auf den Markt. Die Stimmung nicht nur in Cannes ist riesig und alle bereiten sich auf eine Korrektur vor. Ein spannendes Jahr 2017 liegt vor uns. Das Superwahljahr 2017 wird die Branche beeinflussen.
Keine Indikationen, dass die Teilnehmer auf die Bremse steigen – wer zuerst bremst, verliert als erster an Marge und das will keiner riskieren. Doch eines wissen offensichtlich alle: die Korrektur wird kommen.