Schuldscheindarlehen – was ist das?
Schuldscheindarlehen (SSD) stellen bilaterale Finanzierungsinstrumente dar, besitzen einen rechtlich ausgestalteten Darlehenscharakter und lassen sich zwischen klassischen syndizierten Darlehen und Anleihemissionen einordnen. Die Ursprünge des Schuldscheindarlehens reichen weit zurück, jedoch gibt es bis dato keine gesetzliche Definition. Das Darlehen wird zwischen einem Emittenten (Darlehensnehmer) und Investoren (Darlehensgebern) durch einen Arrangeur (i.d.R. ein Finanzinstitut) abgeschlossen.
Derzeit gibt es zahlreiche Beispiele für Schuldscheinemissionen aus Österreich und Deutschland. Erst kürzlich emittierte die STADA Arzneimittel AG ein Schuldscheindarlehen in der Höhe von EUR 350 Millionen.
Auch in Deutschland ist die letzte große Schuldschein-Transaktion nicht lange her; die Lufthansa AG stockte im April ihr Fremdkapital um EUR 475 Millionen auf.
Schuldscheindarlehen als Finanzierungsinstrument finden derzeit immer häufiger Anwendung auf den Kapitalmärkten. Dies betrifft nicht nur große Unternehmen; denn mittlerweile stammen 42% des Emissionsvolumens von Mittelständlern.
Warum ist das Schuldscheindarlehen als Finanzierungsoption im Mittelstand angekommen, bzw. was bringt es?
- Zusätzliches Fremdkapital als Ergänzung zu klassischen Krediten
Das Schuldscheindarlehen ist bilanzielles Fremdkapital. Es ist also der gleichen Gattung wie Anleihen oder Verbindlichkeiten gegenüber Banken zuzuschreiben. Zwischen diesen beiden Finanzierungsinstrumenten stellt das Schuldscheindarlehen einen sinnvollen Schritt dar: Einerseits wird Fremdkapital von verschiedenen Gläubigern aufgenommen, der Gläubigerkreis also erweitert. Andererseits erfolgt dieser Prozess in der Regel in einem sorgfältig selektierten Investorenkreis, der zumeist aus Banken, Versicherungen und Pensionskassen besteht und entsprechend konservative Anlagestrategien verfolgt.
- Öffnung des Unternehmens für zusätzliche Kapitalgeber
Das Unternehmen öffnet sich also mit der Emission eines Schuldscheindarlehens gegenüber zusätzlichen Kapitalgebern – im Gegensatz zu einem öffentlichen Angebot geschieht dies jedoch in einem kontrollierbaren Rahmen. Gerade im mittelständischen Umfeld ist der Kreis potenzieller Investoren sehr fokussiert. Dies in Verbindung mit der Investorenstruktur (Banken, Versicherungen und Pensionskassen) stellt in der Regel ein hohes Maß an Diskretion im Umgang mit Unternehmensinformationen sicher und erfordert auf Seiten der Emittenten geringen Reporting-Aufwand.
- Verringerung der Abhängigkeiten gegenüber Banken
Die mittels Schuldscheindarlehen erwirkte Erweiterung des Gläubigerkreises kann ein nützlicher Schritt sein, die Abhängigkeit von bestimmten Bankenpartnern deutlich zu verringern. Insbesondere, wenn aufgrund restriktiver werdender Regularien auf Bankenseite die Grenzen eines Kreditengagements deutlich werden. Dies ist insbesondere dann als kritisch anzusehen, wenn die Qualität des Schuldners, also des Unternehmens, entsprechend hoch ist und dennoch seitens bestehender Banken (teilweise politisch bedingte) Exposure-Grenzen eingezogen werden. In diesem Umfeld, das sich auch für Unternehmen und deren langfristige Finanzplanung zunehmend unsicherer verhält, kann es also von Vorteil sein, langfristige Unternehmensziele entsprechend langfristig mittels Schuldscheindarlehen und unabhängig von den Zielen der klassischen Kreditgeber (Banken-Kreis) zu finanzieren. Oftmals bewirkt eine alternative Finanzierungsform wie die Emission eines Schuldscheindarlehens, dass bestehende Banken sich wieder stärker um die Kundenbeziehung bemühen und auch bankinterne Vorgaben zu Gunsten ausgesuchter Firmenkunden deutlich flexibler und serviceorientierter zu gestalten versuchen. Anders ausgedrückt: Wer als Unternehmer ein Schuldscheindarlehen platziert, wird in weiterer Folge degressive Kosten seitens seiner bestehenden und zukünftigen klassischen Bankfinanzierungen erwarten können.
- Strategisches Kapital: Übernahmechancen nutzen, Projekte finanzieren, Verbindlichkeiten refinanzieren
Wofür sollte man das mittels Schuldscheindarlehen eingeworbene Kapital bestenfalls verwenden? Im Sinne aller Finanzierungsregeln sollte langfristiges Kapital entsprechend langfristig eingesetzt werden. Während die Aktiva eines Unternehmens in der Regel besichert mittels klassischer Kredite finanziert werden, eignet sich das Instrument des Schuldscheindarlehens als in der Regel unbesichertes Finanzierungsinstrument mit langer Laufzeit besonders für strategische Zwecke. Ein Beispiel hierzu ist z.B. die Finanzierung einer M&A-Strategie: Wenn ein Unternehmen mit einer exponierten Marktstellung bestehende Konsolidierungstendenzen nutzen will, kann die Finanzierung der Zukäufe über ein Schuldscheindarlehen dargestellt werden. Ein anderes Beispiel für eine Anwendung ist die Finanzierung eines Sonderprojektes, z.B. die Erweiterung von Kapazitäten und Standorten und/oder die Erschließung eines strategisch relevanten Marktbereiches. Ebenso attraktiv kann auch die Rückführung bestehender historischer Kreditverbindlichkeiten sein.
- Wie Investoren von Schuldscheindarlehen profitieren
Das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld ist das Schuldscheindarlehen für Investoren eine attraktive Anlagemöglichkeit, die – ähnlich wie Aktien oder Corporate Bonds – unternehmensnahe Investments darstellen. Die Konstruktion mit einer Bank als Arranger und quasi Bindeglied zwischen Kapitalmarkt und Emittenten stellt zusätzlich die nötigen Formalanforderungen sicher, wobei sich auch die Kostenseite sowohl für Unternehmen als auch Investoren im Vergleich zu alternativen Kapitalmarktprodukten deutlich attraktiver darstellt.
- Was eine gute Lending-Story ausmacht
Neben einer notwendigen Controlling- und Reporting-Architektur empfiehlt sich für Emittenten ein Mindestemissionsvolumen, da sonst nur begrenzt institutionelle Investoren angesprochen, bzw. überzeugt werden können. Das Thema Rating kann, muss aber nicht zwangsläufig zum Emissionserfolg beitragen. Grundsätzlich sollte ein Unternehmen die angestrebte Mittelverwendung schlüssig darlegen und überzeugend kommunizieren können. Schließlich verfolgen Investoren von Schuldscheindarlehen langfristige und konservative Veranlagungsziele. „Abenteuer“ sollten daher – wie auch bezogen auf klassische Fremdkapitalfinanzierungen – eher mit Eigenkapital finanziert werden.
- Rolle von Advicum
Als eigentümergeführter und unabhängiger Advisor berät Advicum sowohl Emittenten als auch Investoren im Rahmen von Schuldscheinemissionen in Deutschland und Österreich.