In einem unserer letzten Newsletter haben wir detailliert über das Thema Mittelstandsanleihen geschrieben und große positive Resonanz für dieses Thema seitens unserer Leser erhalten. Daher greifen wir dieses Thema nun wieder in Form eines Updates auf und werfen erneut einen Blick auf das gegenwärtige Marktbild. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob angesichts der gegenwärtigen Zins- und Anlagesituation dieses Marktsegment für Investoren eine attraktive Alternative darstellt.
Ausfälle nehmen zu
Das Segment der Mittelstandsanleihen ist seit einiger Zeit stigmatisiert: Von den im Zeitraum von 2010 bis heute 149 emittierten Titeln mit einem Gesamtemissionsvolumen von rund EUR 8 Mrd. sind bis heute 51 ausgefallen, was eine Quote von 34% bedeutet. Im Jahr 2016 laufen noch rund 69 Titel mit einem Volumen von rund EUR 2,75 Mrd. Im Jahr 2016 wurde mit Ende Oktober ein Emissionsvolumen von rund EUR 177 Mio. platziert, was ein durchschnittliches Volumen von EUR 22 Mio. pro Emission bedeutet. Dies sorgt für große Verunsicherung, außerdem führt es zu einer stark-einseitigen Wahrnehmung seitens der Investoren, was wiederum rückläufige Kursvolumina bewirkt. Außerdem ist bemerkenswert, dass von den 51 ausgefallenen Titeln, 26 zum Zeitpunkt der Emission ein Rating im Investmentgrade-Bereich (A- bis BBB-) aufgewiesen haben. So gesehen muss man in der Betrachtung einzelner Titel stärker darauf achten, die Fundamentaldaten hinreichend zu analysieren, ehe man sich für ein Investment entscheidet.
Was ist der Grund für die Ausfälle?
Jedes Unternehmen ist eine komplexe Organisation innerhalb einer bestimmten Umwelt. Daher ist es schwierig die Ursachen für einen Ausfall einer emittierten Anleihe zu pauschalisieren. Dennoch kann man bestimmte Merkmale in der Bilanz der ausgefallenen Unternehmen erkennen, ergänzend zum Überhang der Passivseite. Bei einigen Emittenten ist zum Zeitpunkt der Emission das Bilanzbild nicht hinreichend, um die die Refinanzierung der Verbindlichkeiten der Anleihe durch Free Cash Flows fristenkongruent sicherzustellen. Weiter fällt auf, dass die Profitabilität im Vergleich zur Verschuldung nicht in einem für Fremdkapital adäquaten Verhältnis steht. Was aber heißt das, bzw. was bedeutet dies konkret?
Net debt / EBITDA als erster Indikator
Grundsätzlich lässt sich dieser Indikator als Quick-Check in der Bilanzanalyse heranziehen: Ist das Verhältnis der Nettofinanzverbindlichkeiten (Zinstragende Verbindlichkeiten abzüglich liquide Mittel) zu EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) größer 3, so wird eine klassische Bankfinanzierung, besichert mit Assets, an ihre Grenzen stoßen. Ist dieser Wert größer 5, so wird auch eine Mezzanin-Finanzierung kaum mehr möglich sein, so dass ab dieser Schwelle Eigenkapital zugeführt werden müsste – auch im Hinblick darauf, den Komfort der Gläubiger sicher zu stellen. Hier haben in der Vergangenheit viele Mittelstandsemittenten angesetzt und statt Eigenkapital Anleihen begeben, nicht zuletzt, um andere Gläubiger mit diesen frischen Mitteln abzulösen („Rückführung bestehender Verbindlichkeiten“). Teilweise wurden diese Mittel sogar verwendet, um Gesellschafterdarlehen – die klar dem Eigenkapital zuzuordnen sind – zurückzuführen. Diese für kommerzielle Gläubiger idR unzumutbare Praxis wurde häufig durchgeführt, was letztlich zu einer signifikanten Verschlechterung der bilanziellen Bonität des Emittenten führte.
Save Haven: Immobilien-Bonds
Trotz der prekären Lage des Gesamtmarktes, gibt es durchaus erfolgreiche Bonds. Diese wurden in überwiegender Mehrheit von Immobilienunternehmen emittiert. Bilanziell stehen diese Unternehmen aufgrund ausgewiesener Sachwerte grundsätzlich besser da, da diese im Vergleich zu Positionen des Umlaufvermögens einen langfristigen Charakter aufweisen. Folglich gäbe es im Falle eines Ausfalls die Möglichkeit, diese Immobilien zu veräußern und damit alle Ansprüche der Gläubiger hinreichend zu bedienen. Außerdem ist eine Anleihe als Finanzierungsinstrument in dieser Branche ein seit längerem etabliertes Mittel sowie für den Emittenten ein wirksames Eigenmittelsurrogat: Das – zumeist über eine Holding – aufgenommene Fremdkapital kann als Eigenmittel in eine Projektgesellschaft unterhalb der Holding eingebracht werden. Diese Prozesse werden idR in Form einer Besicherung sowie eines Treuhänders im Sinne der Gläubiger eingehalten. Wohlgemerkt kann es auch in diesen Konstruktionen Pferdefüße geben, so dass jedenfalls eine gründliche Lektüre des Emissionsprospektes notwendig ist.
Ausblick
Die derzeitigen Entwicklungen lassen nachfolgende Hypothese zu:
- Der sog. Mittelstandsmarkt für Anleihen wird sich zum Fremdkapitalsegment für Immobilien entwickeln
- Aufgrund des anhaltenden, günstigen Zinsniveaus werden sich Unternehmen mit gesunder Bilanzstruktur eher klassischen Senior Finanzierungen („Hausbank“) zuwenden
- Unternehmen mit weniger attraktiven Bilanzstrukturen, werden neue Wege finden, die dem Bereich der Mezzanin-Finanzierungen zuzuordnen sind („Private Debt“)
- Schuldscheinemissionen werden Mittelstandsanleihen sukzessive substituieren, da ähnliche Banken und Investoren („Semi-Institutionelle“) involviert sind