Die Entwicklung des Online-Handels und der gesamten Branche während Corona
Rund vier Milliarden Euro Umsatz gingen dem österreichischen Einzelhandel seit Beginn des „Shutdowns“ Mitte März verloren. Entscheidend für die Höhe der Verluste in den einzelnen Unternehmen war in dieser Zeit weniger die Branchenzugehörigkeit als das vorhandene Angebot an Vertriebskanälen. Ein gut gestalteter Webshop erwies sich für viele Einzelhändler als letzter Rettungsring, denn die staatlichen Hilfeleistungen haben in vielen Unternehmen noch nicht zum dringend benötigten Liquiditätszuschuss geführt. Dies geht aus einer Analyse hervor, die das Wiener Beratungsunternehmen Advicum Consulting anlässlich der breitflächigen Wiedereröffnung der Geschäfte in Österreich veröffentlichte.
Social Distancing treibt Online-Handel an
Pro verordnetem Schließtag büßten stationäre Einzelhändler in den vergangenen Wochen laut aktuellen Untersuchungen durchschnittlich 46,4 Prozent des Verkaufserlöses ein, in Shopping-Cities und Einkaufszentren betrug das Minus sogar rund zwei Drittel. Indes boomten die Webshops. „Buchhändler Thalia verzeichnete bereits in den ersten Lockdown-Tagen eine Verdoppelung seiner Online-Reichweite, der österreichische Amazon-Konkurrent Shöpping sogar eine Versechsfachung. Sogar im Lebensmittelhandel, der stationären Einkauf durchgehend ermöglichte, kam es im Online-Bereich zu einem deutlichen Plus“, berichtet Advicum Retail-Experte Florian Bernhard. Sein Schluss: „Das Gebot des Social Distancing wird uns bis auf weiteres erhalten bleiben, daher werden und müssen digitale Vertriebskanäle wie Webshops und ‚Social Commerce‘ in näherer Zukunft boomen“. Ein breiter Rollout moderner Technologien wie Virtual Reality, die gerade in Corona-Zeiten ein lebensnahes Einkaufserlebnis schaffen würden, lasse freilich noch auf sich warten.
Warum ist der Online-Handel wichtig?
Liquidität sichern und Vertrieb verbessern
„Finanzspritzen sichern das Überleben eines Retailers nur temporär. Wer ohne klare strategische Positionierung jetzt sein Geschäft hochfährt, wird möglicherweise schon bald wieder Schwierigkeiten bekommen, spätestens bei einer möglichen zweiten Corona-Welle“, fürchtet Andreas Kornberger, Associate Partner bei Advicum Consulting. Wichtig seien im Moment liquiditätssichernde Maßnahmen wie die Konzentration von Sortimenten und Standorten, die Fokussierung auf Kernkompetenzen, Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung. Zugleich sollte aber die Implementierung fehlender Vertriebskanäle (Webshops, Social Media, Customer Service) mit entsprechenden technischen Lösungen vorangetrieben werden. Grundsätzlich empfehle sich eine Multichannel-Strategie mit ganzheitlichem Ansatz statt kleiner Insellösungen. Dies sei mit kreativen Ideen durchaus auch in Zeiten finanzieller Schwäche möglich, so Kornberger.
Worauf sollten stationäre Einzelhändler in Zukunft achten?
Omnichannel-Strategie mit Kundenfokus
Wie der „ORI-Index“, der die Omnichannel-Aktivitäten des Handels misst, beweist, hat sich das Bewusstsein für eine multiple vernetzte Vertriebsstrategie im heimischen Retail-Business insgesamt verbessert. Im Lead ist diesbezüglich seit längerem die Branche „Drogerie & Parfumerie“, deren etablierte Händler Bipa, dm, Douglas und Marionnaud zu den Omnichannel-Musterschülern zählen. Aufsteiger des Jahres war zuletzt der Lebensmittelhandel, allen voran Tchibo, Billa und Interspar. Ebenso hat die Branche „Fashion & Accessoires“ in Sachen Omnichannel-Vertrieb deutlich zugelegt. Ein Aspekt liegt den Advicum-Beratern aber noch besonders am Herzen: „Wichtig ist in Krisenzeiten ein konsequenter Kundenfokus, online ebenso wie offline. Bei gutem Customer Relationship Management steigert sich die Kundenloyalität gerade jetzt noch mehr. Und bleibt vermutlich auch erhalten, wenn das Virus endgültig besiegt ist“, betonen Andreas Kornberger und Florian Bernhard unisono.