Teil 1 Grundlagen
Spielt Risikomanagement in der Immobilienbranche eine Rolle?
Risikomanagement ist bei Immobilieninvestments insbesondere im Ankaufsprozess wichtig. Immobilien sind im Vergleich zu anderen Assetklassen wenig fungibel und daher gilt es, die Risiken bereits im Ankaufsprozess bestmöglich zu erkennen und zu evaluieren. Allerdings bildet die Gruppe jener Risiken, die sich erst im Bestand zeigen, eine schwer einzuschätzende Größe, auf die nur schlecht reagiert werden kann und bei Korrekturbedarf zu hohen ungeplanten Zusatzkosten führen, die die Rentabilität empfindlich beeinflussen können.
Risikoarten und deren unterschiedliche Würdigung
Welche Risiken können und sollen berücksichtigt werden? Treibender Faktor ist, Transparenz über die potenziellen Ergebnisse zu schaffen. Im Kern steht dabei die prognostizierte jährliche Rendite. Liquiditäts- und Reputationsrisiken bilden hier ebenfalls Faktoren, deren Würdigung nicht außer Acht gelassen werden darf.
Sind die relevanten Risiken erfasst, können worst- und best-case Szenarien verbunden und mit Eintrittswahrscheinlichkeiten hinterlegt werden. Mittels Sensitivitätsanalysen kann die Wirkung von Risiken und Risikofaktoren auf das bzw. ein Ergebnis (Ertrag, Liquidität, Reputation) transparent gemacht werden.
Die Schwierigkeit dabei liegt in der Identifikation der Risiken und der Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeiten. Oftmals ist die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter in Verbindung mit Benchmarks oder Bandbreitenmodellen einer der besten Indikatoren.
Ist das Risiko identifiziert und sind die potenziellen Wirkungen transparent gemacht, stellt sich die Frage, was zu tun ist, um den Risiken entgegen zu wirken. In der Praxis scheitert das Risikomanagement häufig an mangelnden Prozessen, Kommunikationsketten und Know-how, die Risikokennzahlen zu lesen, zu interpretieren und die erforderlichen Maßnahmen daraus abzuleiten. Das Analysieren und Erkennen von Risiken ist häufig nicht ausreichend mit den operativen Einheiten, die die den Risiken entgegen wirkende Maßnahmen setzen, verknüpft. So kann es durchaus vorkommen, dass das Risiko Management konkrete Risiken in internen Risikoberichten zwar explizit ausweist, das Asset Management aber entweder den Bericht nicht zweckentsprechend interpretieren kann und die richtigen Maßnahmen setzt.
Kritisch ist in vielen Unternehmen, dass es keine transparente und strukturierte Vorgehensweise zur Berücksichtigung von Risiken gibt. In welche Entscheidungen fließt die Risikoinformation ein? Wer benötigt welche Information, um Maßnahmen setzen zu können? Wie wird die Risikoinformation aufbereitet? Diese Fragen stehen im Kern eines effizienten Risikomanagements und müssen in jedem Fall geklärt werden.
Effizientes Risikomanagement erfordert eine valide Datenbasis. Meistens kommen weitgehend historische Daten zur Anwendung, die durch lineare Extrapolation ein Risikoprofil darstellen sollen. Die Verwendung historischer Daten zur Risikobestimmung wirft Fragen auf: Über welchen Zeitraum werden die Daten ausgewertet? Welche Periodizität haben die Daten? Welcher Prognosefehler ergibt sich aus dem Prognosemodell? Ist die Prognose überhaupt anwendbar, d.h. liegt beispielsweise kein Strukturbruch vor?
Risiken entstehen auf verschiedenen Ebenen. So gibt es – wie weitgehend bekannt ist – Marktrisiken, Portfoliorisiken und die Risiken der Einzelimmobilie.
Das Konvolut der verschiedenen Risikoarten muss strukturiert und differenziert betrachtet werden um die passenden Instrumente zur Risikovermeidung zu identifizieren. Marktrisiken können in der Regel vom einzelnen Marktteilnehmer kaum beeinflusst werden, er kann lediglich versuchen seine Positionierung zu verändern. Hier geht es vielmehr darum, die Risiken zu identifizieren und transparent zu machen, um mit den richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit die Auswirkungen der Risiken zu reduzieren. Durch effizientes Risikomanagement können die Faktoren „Glück“ und „Bauchgefühl“ mit harten Fakten hinterlegt werden, die „Schicksalskomponente“ wird somit verringert.
Risiken, die sich aus der laufenden Bewirtschaftung der Immobilien ergeben, spielen eine wesentliche Rolle. Nicht jedes Risiko aus der Bewirtschaftung der Einzelimmobilie muss jedoch aus Risikomanagement Aspekten vorrangig berücksichtigt werden, da einige durch Portfolioeffekte neutralisiert werden.
Allerdings gibt es Risiken in den Einzelimmobilien, die durch den Portfolioeffekt nur bedingt ausgeglichen werden können. Diese Risiken bedürfen einer genaueren und regelmäßigen Betrachtung, da deren Auswirkung häufig unterschätzt wird. Risiken dieser Art können exemplarisch Instandhaltungsthemen, Problemstellungen am Mikrostandort, große Single Tenants und sonstige mieterbezogenen Themen sein.
Eben diese Risiken sind es, die transparent gemacht werden müssen und durch zielgerichtete Aktivitäten in der operativen Bewirtschaftung reduziert werden können, häufig aber unter Risiko Management Aspekten in strukturierter Form nicht betrachtet und bearbeitet werden. Oftmals gehen gerade diese Risiken, zur vermeintlichen Vereinfachung der Kommunikation, in Tabellen, Charts und Risikoreports unter. Hier schlummern massive Potenziale. Der Aufholbedarf der Branche ist groß.
Teil 2 der Reihe Risikomanagement in der Immobilie wird sich mit konkreten Ansatzpunkten zur Optimierung der Risikoeinschätzung beschäftigen und einige weiterführende und kritische Fragestellungen zur Prüfung des eigenen Risikomanagements bereitstellen.
Ansprechpartner:
Mag. Matthias Ortner
Tel.: +43 (0)1 236 1116 0
Email: matthias.ortner@advicum.com